denkmal-aktiv-Projekt 2015/16

Der komplette Titel unseres Ganzjahresprojekt im Schuljahr 2015/16 lautete "Römisches Kulturerbe in Not?! - Sicherung eines potenziellen Bodendenkmals bei Eschweiler-Kinzweiler". Hierzu sollte in Zusammenarbeit mit der RWTH noch im Verlauf des Schuljahres eine geomagnetische Untersuchung durchgeführt werden, um ohne eine Grabung oder überhaupt eine Bodenverletzung die Existenz eines bislang offiziell noch unbekannten römischen Gutshofs, lateinisch villa rustica, nachzuweisen. Die Arbeit mit dem Magnetometer-Messwagen konnte jedoch nur auf einer alternativen Fläche durchgeführt werden. Diese war in ihrem Prinzip für die beteiligten Schüler interessant, informativ und lehrreich, aktuell erfolgt aber die mit wesentlich größerer Spoannung erwartete Untersuchung im rahmen einer zweiten Bachelorarbeit in Zusammenarbeit mit der RWTH. Damit verfolgen wir als AG weiterhin das eigentliche Ziel des letztjährigen Projektjahres, einen möglichst umfassenden und detaillierten Nachweis der Existenz der vermuteten römischen villa rustica ohne Bodenverletzung leisten zu können.

Zahlreiche Funde verschiedener Qualität mit Hinweisen auf deren Datierbarkeit konnten bereits bei nur zwei Prospektionen entdeckt und anschließend archiviert werden. Grenzen der AG wurden beim Besuch der Sondengänger thematisiert, wie etwa der Verzicht auf zukünftige eigene Sondengänge aus Sicherheitsgründen. Technische Möglichkeiten der modernen Archäologie wurden über die Sondenuntersuchungen hinaus kennengelernt, theoretisch von allen Mitgliedern per Bericht bei der AG, praktisch von einzelnen Oberstufenschülern bei der erwähnten Teilnahme an den geomagnetischen Untersuchungen. Ferner konnten beim Erfahrungsaustauschtreffen in Feuchtwangen zwei ausgewählte Schüler der 9. Klasse verschiedene Handwerkstechniken und Möglichkeiten des Modellbaus als Workshop kennenlernen, während wir uns als Projektleiter bei den beiden Treffen über unseren eher römischen Horizont hinaus mit den Projektleitern anderer Projekte über diese und die benutzten Methoden zu deren Verwirklichung austauschen konnten. Und schließlich wurde nach dem finanzierten Erwerb von Ausstellungsvitrinen bzw. zu deren effektivem Einsatz der Archäologie-Raum umgestaltet. In diesem halten sich die Schüler trotz der Kellerlage gerne auf, neue Arbeits-, Lager- und Präsentationsflächen für ihre Aktivitäten, Ergebnisse und Produkte sowie die gefundenen Artefakte stehen nun in ausreichendem Maße zur Verfügung.

Höhepunkte - und finanzieller Schwerpunkt des Einsatzes der Projektgelder - waren die beiden Exkursionen in die Römerwelt: der Besuch der thematisch nahen Villa Borg in Perl im Saarland, wenn dies - im Vergleich zu der im Projekt untersuchten villa rustica bei Kinzweiler - den Besuch einer wesentlich repräsentativeren villa rustica darstellte. Die Fahrt war mit einem Kurzbesuch der Römerstadt Trier verbunden. Der zweite Höhepunkt entsprach chronologisch auch fast schon dem Abschluss des Projektjahrs: der Besuch des Römerfestes „Schwerter, Brot und Spiele“ im Archäologischen Park Xanten (APX). Hier wurden die von uns bei Prospektionen gefundenen Bruchstücke plötzlich als ganze Speiseteller, Töpfe und Schalen oder als im Keller eingelassene weiße Lagerfässer sichtbar. Ferner gelangten die Fundstücke in ihre historischen Zusammenhänge: römische Mahlzeiten, römische Kleidung und verschiedene antike Handwerkstechniken, kämpfende Gladiatoren oder gefechtsbereite Soldatentrupps traten im wahrsten Sinne leibhaftig vor Augen. Das römische Kulturerbe wurde also anhand der zuhause vorgefundenen Artefakte auswärts wieder entdeckt, was den didaktisch höchst wertvollen und bereits im Projektantrag formulierten und beabsichtigten Richtlinienbezug der Reflexion und des Transfers auf die Lokalgeschichte ermöglichte. Ein Fundstück mit einer vermeintlichen Aufschrift weckte bereits das wissenschaftliche Interesse des Aachener Stadtarchäologen Andreas Schaub, einem ausgewiesenen Experten für Terra-Sigillata-Gefäße. Eine weitere Untersuchung des Fundstücks ist bereits vereinbart. Zudem hat er uns sogar den zukünftigen Einsatz eines Georadars auf der Fundstelle in Aussicht gestellt. Aber die Fundstelle selbst ist nun offiziell beim Landesamt für Bodendenkmalpflege bekannt. Wie wichtig dies in naher Zukunft sein wird, wurde erst in den Sommerferien durch einen Zeitungsartikel bekannt: es soll tatsächlich entlang des Wirtschaftswegs, der mitten durch die zu vermutende Lage des Hauptgebäudes führt, eine große Ferngastrasse gelegt werden. So werden die Archäologen doch vor Ort sein, wenn an dieser Stelle für die Pipeline gebaggert wird.  Auf diese Weise bekam das Projekt quasi schon nach Projektende doch noch die Weihen, die ihm beinahe  vorenthalten geblieben wären. Infolge der Projektergebnisse werden die Archäologen nun die Fundstelle spätestens beim Bau der Gasleitung untersuchen und die Ergebnisse auswerten können, so dass die wesentlichen Funde oder Erkenntnisse über die betroffene villa rustica doch gerettet werden können.

Damit wird unser Projekt doch noch vollkommen seinem Titel gerecht werden, eine Veränderung der betroffenen Fundstelle mag dafür notwendig geworden sein, das höchste Ziel der offiziellen Deklarierung wurde zwar nicht erreicht, doch zumindest haben die Projektteilnehmer die Situation für die im Boden liegende Fundstelle im zufällig vermeintlich letztmöglichen Projektzeitraum  dahingehend verändert, dass diese ins Bewusstsein des Landesamtes für Bodendenkmalpflege gelangte und womöglich auch in naher Zukunft des anliegenden Ortes und seiner Bewohner - ganz nah zum Römerweg - gelangen wird. Und vielleicht gelangt ja doch noch das eine oder andere erhaltenswürdige Objekt einer vielleicht dann noch bevorstehenden Notgrabung des Landesamtes für Bodendenkmalpflege in ein Archiv oder sogar in eine Ausstellung. Vielleicht dürfen die Schüler der Archäologie-AG sogar dabei sein, wenn es einmal so weit kommen sollte.

Bewusstsein herstellen, Kulturgut erhalten, Perspektiven schaffen, dies gelang uns damit in letzter Minute. Das stumme SOS aus der Römerzeit wurde erhört: „Römisches Kulturerbe in Not!?  Sicherung eines potenziellen Bodendenkmals bei Eschweiler-Kinzweiler“.